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„Alter ist kein Skandal, sondern eine Chance.“

Es gibt nicht viele in Deutschland, die wie Henning Scherf ihr Älterwerden als ein Geschenk ansehen. Als Möglichkeit, auch oder vor allem nach dem geschäftigen Arbeitsleben noch einmal so richtig durchzustarten. Aktiv zu sein. Mitzureden, mitzugestalten – einfach mitzumachen. Nein, viele gibt es davon nicht. Noch nicht.

Denn man kann nur hoffen, dass der ehemalige Bürgermeister des Stadtstaats Bremen mit seinem Enthusiasmus in Bezug auf alternative Wohnformen im Alter und generell mit seiner Interpretation vom Älterwerden immer mehr Angehörige seiner Generation ansteckt. Der 73-Jährige sieht die steigende Lebenserwartung, die mit dem demografischen Wandel einhergeht, vor allem als Chance für die Menschen. Natürlich kann es schwer sein, wenn die eigenen Kinder aus dem Haus gehen oder der Partner stirbt und man allein zurückbleibt. Doch Scherfs Meinung nach liegt genau hierin eine Herausforderung, die gleichzeitig ganz neue Möglichkeiten offenbart.

Es ist keine Lösung, länger zu arbeiten, sondern intelligente Übergänge vom Beruf in das Rentnerdasein zu schaffen.

Damit widerspricht der pensionierte SPDler klar dem aktuellen Ruf der Politik nach einer Verlängerung des Arbeitslebens. Vielmehr ist es seine Vision, angehende Rentner auch im Ruhestand aktiv in der Gesellschaft zu integrieren. Was in vielen Handwerksbetrieben heutzutage noch gang und gäbe ist, ist Scherfs Erachten nach auch auf den Rest der älteren Bevölkerung übertragbar. Wenn der Seniortischlermeister zum Beispiel die Urlaubsvertretung für seinen Sohn übernimmt, warum können dann nicht zum Beispiel pensionierte Lehrer bei drohendem Unterrichtsausfall aufgrund von Krankheit einspringen.

Gleiches gilt für Henning Scherf auch in Bezug auf das Leben in Seniorenheimen. In einem Interview sagte er jüngst, es sei „ein Irrsinn, dass in den meisten Altenheimen nicht gearbeitet werden darf.“ Anstatt den Bewohnern unter anderem das Kartoffelschälen oder Rasenmähen selbst zu überlassen und sie somit aktiv in das Hier und Jetzt einzubinden, werden derlei Dienstleistungen teuer von extern eingekauft. Bremens Ex-Bürgermeister sieht hierin die Verschwendung enormer Potenziale, wenn es um das große Miteinander aller Generationen und die lebensbejahende Gestaltung des Älterwerdens geht.

Scherf selbst lebt mit seiner Frau Luise bereits seit 25 Jahren in Deutschlands wohl berühmtester Alten-WG.

Als das Ehepaar Scherf im Alter von knapp 50 Jahren seinen Kindern von dem Vorhaben, eine Alten-WG zu gründen, erzählte, bezeichneten diese ihre Eltern als postpubertäre Romantiker. Heute, nach einem Vierteljahrhundert der gelebten alternativen Wohnform, werden die Scherfs nicht nur von ihren Kindern, sondern von ganz Deutschland dafür bewundert. Inmitten der Bremer Innenstadt leben Henning und Luise Scherf in einer der vier Wohnungen unter einem Dach, Tür an Tür mit drei gleichgesinnten Ehepaaren, die fest zu ihrer Familie gehören. Zwar gibt es keine gemeinschaftliche Küche, jedoch wird oft gemeinsam gegessen, sowohl das Auto als auch die Gartenarbeit geteilt und auch sonst sind die Acht immer füreinander da. Auch, wenn der Anlass einmal ein trauriger ist.

So erinnert sich Henning Scherf nachdenklich an die Zeit, als eine der Mitbewohnerinnen im Sterben lag. Aus Angst davor, im Moment des Davongehens allein zu sein, wünschte sie sich ihre Freunde stets an ihrer Seite. Die Alten-WG-Bewohner wechselten sich Tag und Nacht ab und ermöglichten ihrer Freundin so, in Frieden zu Hause sterben zu können. Wenn Henning Scherf unter anderem bei seinen Vorlesungen aus seinem aktuellen Buch „Wer nach vorne schaut, bleibt länger jung“ über seinen eigenen Tod spricht, strahlt er eine große Gelassenheit aus.

„Natürlich ist Alter kein Honigschlecken. Und auch der Tod beschäftigt mich. Aber er ist eine Notwendigkeit.“

Mit dieser Erkenntnis lässt es sich für Henning Scherf nicht nur gut leben, sondern auch gut sterben. Deswegen ist es einer der größten Wünsche des passionierten Hobbyisten, sozusagen mittendrin zu sterben. Da, wo er gelebt hat, mit Kindern um ihn herum und er möchte, „dass da Licht ist“.

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