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Auf eine Tasse Kaffee mit Anna Wolters

Anna Wolters mit ihrem Sohn Otto.
© Eric Langerbeins/COMMWORK Werbeagentur GmbH

Anna Wolters aus dem AWO Hermann-Koch-Seniorenzentrum ist Mutter von sechs Kindern, hat zehn Enkel, sechs Urenkel und einen Ururenkel. Noch mit über 100 Jahren lebte die Dürenerin alleine. Im September feiert sie ihren 102. Geburtstag.

AWO Journal: Sie machen einen sehr fidelen Eindruck. Verraten Sie uns Ihr Geheimnis für dieses »biblische Alter«?
Anna Wolters: Arbeiten! Das habe ich immer getan, und es scheint mir nicht geschadet zu haben. Als mein Mann sehr krank wurde und seinen Beruf als Polier bei einer großen Baufirma nicht mehr ausüben konnte, bewarb ich mich bei den »Rheinischen Kliniken Düren«. Schließlich hatte ich Krankenschwester gelernt, musste diesen Beruf aber 1937 aufgeben. Das war nach der Heirat mit meinem ersten Mann. Damals war es nicht gestattet, dass Ehepaare zusammen arbeiteten – Arbeitslose hatten Vorrang.

Dass die Frau für den Familienunterhalt zuständig war, wurde in der damaligen Gesellschaft nicht gerade gefördert, oder?
Glauben Sie mir: Meinem Mann war das alles andere als recht. Wir hatten deswegen unseren ersten handfesten Familienstreit. Er sprach anfangs kein Wort mit mir, so verärgert war er darüber. Ich sorgte dafür, dass ich mittags vor meinen Kindern zu Hause war, um das Essen zu machen und um für sie da zu sein. Aber ich war gerne berufstätig und arbeitete bis zu meiner Pensionierung.

Hut ab! Sechs Kinder und Job! Ihr Sohn Otto, der gerade zu Besuch ist, erzählte, dass Sie die erste Patchwork-Generation waren.
Ja, so nennt man das wohl heute. Aus meiner ersten Ehe stammt meine Tochter Margrit, die ist heute 78! Nachdem mein Mann im Krieg gefallen war, lernte ich meinen zweiten Mann kennen. Das war in Landsberg, wo meine Schwester lebte, der ich Margrit in Obhut gab – zum Glück, denn einen Tag später kam es zum großen Bombenangriff auf Düren, der fast die ganze Stadt zerstörte. Mein späterer Mann hatte seine Frau an Tuberkulose verloren und war selbst Witwer. Er brachte zwei Kinder mit in unsere Ehe, Wilfried und Ingrid. Gemeinsam bekamen wir noch drei Söhne – Peter, Otto, den ich nach meinem jüngsten Bruder nannte, und Gerd.

Eine große Familie waren Sie also schon als Kind gewohnt. Mussten Sie früh Verantwortung übernehmen?
Ja, tatsächlich. Ich war die Erstgeborene von vier Geschwistern und 14 Jahre älter als Otto. Mein Vater besaß ein Holzleiter- und Holzwarengeschäft, in dem auch meine Mutter arbeitete. Ich übernahm den Haushalt und die Aufgabe, auf den kleinen Bruder aufzupassen. Der machte es mir jedoch nicht leicht. Er ging nicht gerne zur Schule und erfand immer die tollsten Entschuldigungen, bis er es übertrieben hatte und mal wieder einen Brief vom Rektor bekam. Dort musste ich vorstellig werden und die Sache in Ordnung bringen. Weil ich schon so früh selbständig war, tu ich mich heute schwer damit, andere um Hilfe zu bitten. Aber in meinem Alter muss man das leider recht oft.

Im Rückblick: Was war Ihre schlimmste, was Ihre schönste Erfahrung im Leben?
Ganz furchtbar war, als ich im Wochenbett mit meinem Sohn Otto lag und unser damals dreijähriger Sohn Peter an Nierenversagen starb. Unvergesslich auch die Angst, ob der Bombenangriff auf Düren meine Eltern getroffen hatte. Ich fuhr mit dem Rad die rund 600 Kilometer von Landsberg am Lech nach Hause – Gott sei Dank hatten alle überlebt! Das Schönste ist, eine Familie zu haben. Jeden Tag besucht mich eines meiner Kinder hier im Seniorenheim. Wir halten alle zusammen. Und als ich hundert wurde, feierte die ganze Verwandtschaft das Jubiläum auf Burg Nideggen. Ich bin froh, dass ich noch so viel machen kann, wie Handarbeiten und lesen. Langeweile kommt bei mir nicht auf!

 

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