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Auf eine Tasse Kaffee mit Gerda Wendt

Gerda Wendt

Die 96-Jährige Gerda Wendt lebt im AWO Alfred-Delp-Altenzentrum in Troisdorf und blickt zurück auf ein abwechslungsreiches Leben mit zwei großen Lieben.

AWO Journal: Kompliment, Frau Wendt. Sie werden in drei Monaten 97 und sehen fantastisch aus! Hätten Sie gedacht, dass Sie einmal dieses stolze Alter so gesund und munter erreichen würden?

Gerda Wendt: Überhaupt nicht. Als ich auf die Welt kam, sagte der Arzt zu meiner Mutter: »Es ist eine Schande, aber das Kind wird keine 13 Jahre alt.« Ich war sehr zart und schwach. Meine Mutter konnte mich nicht stillen. Sie hatte keine Milch mehr, weil sie bereits meine Zwillingsgeschwister stillte und von den Kriegsjahren ausgezehrt war. Außerdem hatte sie schreckliche Sehnsucht nach meinem Vater, sie roch ständig an seinen Kleidern.

Acht Monate nach Ihrer Geburt endete der Erste Weltkrieg. Bitte erzählen Sie uns ein wenig von Ihrer Kindheit.

Die war sehr schön. Als mein Vater aus dem Krieg heimkehrte, bekam er eine Stelle als Förster beim Fürst von Hatzfeldt und kümmerte sich um die umliegenden Wälder der Anwesen, die sich im Westerwald befinden. Ich wuchs im Schloss Schönstein auf, im Landkreis Altenkirchen. Da ich noch immer zierlich und zart besaitet war, durfte das Kindermädchen mich nie wecken – weder zum Klavierunterricht noch zur Schule. So die Anweisung des Arztes, der mir viel Schlaf verordnete.

Schloss, Fürst, Kindermädchen – das klingt alles ziemlich märchenhaft.

War es auch. Ständig kam hochherrschaftlicher Besuch auf das Anwesen, darunter Kaiser Wilhelm II. Und auch die Fürstin empfing stets Gäste.

Wurden Sie denn von einem Prinzen wachgeküsst?

Das nicht gerade. Aber von einem Leutnant, der sich zunächst in ein Foto von mir verliebte, das er auf dem Schreibtisch meines Vaters sah. Er war ein Kamerad meines Bruders, der ihn mal mit zu uns nahm. »Die werde ich heiraten«, dachte Werner schon beim ersten Blick, und tatsächlich traten wir bereits ein Jahr später, nämlich 1944, vor den Traualtar. Es folgten drei Kinder. Er war der richtige Mann für mich, auch, weil uns das große kulturelle Interesse verband. Nach dem Krieg übernahm Werner die Leitung von »Studio Dumont« in Köln.

Dann waren Sie wahrscheinlich immer umgeben von Kunst und Literatur?

Wir waren mit vielen Verlegern und Schriftstellern befreundet und verbrachten eine herrliche Zeit miteinander. Von diesen Erinnerungen zehre ich heute.

Sie sind schon seit 1980 Witwe. Gab es denn noch einmal eine Liebe in Ihrem Leben?

Ja, tatsächlich. Nach Werners Tod lud mich ein befreundetes Ehepaar von uns ein, in deren Ferienhaus auf Teneriffa Urlaub zu machen. Dort lernte ich Filipe Gonzalez kennen und irgendwann auch lieben. Er war zwanzig Jahre jünger als ich, aber das tat unserer Beziehung keinen Abbruch. Er hatte wie ich drei Kinder und war bereits Witwer.

Sind Sie dann auf die Kanaren gezogen?

Filipe ließ nicht locker, bis ich ganz übersiedelte. Wir wohnten im Örtchen Icod de los Vinos. Dort befindet sich übrigens der größte und älteste Drachenbaum der Welt, der auch das Wahrzeichen der Insel ist. Nicht weit davon entfernt befand sich unser Häuschen, von dem aus man fast ins Meer springen konnte.

Wie romantisch! Haben Sie noch Kontakt zu Filipe?

Er ist leider verstorben, aber seine Familie schreibt mir noch immer und ruft mich regelmäßig an. Wir haben uns von Anfang an alle bestens verstanden. Und ich bin sehr dankbar, dass ich im dritten Lebensalter noch eine so harmonische Beziehung erfahren durfte.

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