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Ein Jahrhundert Leben! Jahrgang 1914

Maria Theresia Eckes und Betreuerin Annegret Domanski aus dem AWO Sozialzentrum in Hadamar

Vor genau hundert Jahren, am 15. Oktober 1914, erblickte Maria Theresia in Mainz das Licht der Welt. Heute lebt sie im ca. 70 Kilometer nördlich davon liegenden AWO Sozialzentrum in Hadamar. Anlässlich ihres Jubiläums lässt sie für uns ein paar Erinnerungen Revue passieren.

Ich bin ein Nachzüglerkind und hatte noch drei Geschwister: zwei Schwestern, die Maria und die Irene, und einen Bruder. Leonard, kurz Leo, wurde später Kapellmeister. Musik spielte in unserer Familie immer eine große Rolle. Ich lernte Klavier und singe bis heute sehr gerne. Beim Gemeinschaftssingen am Freitag fehle ich so gut wie nie. Auch die Tanzgymnastik, die das Haus hier anbietet, besuche ich regelmäßig, obwohl ich inzwischen im Rollstuhl sitze. Aber noch einmal zurück zu den Anfängen. Als ich geboren wurde, wussten meine Eltern nicht, wie sie mich nennen sollten. Da schaute mein Vater auf das Kalenderblatt: Es war der Namenstag von Theresia, und so kam ich zu meinem Namen. Ich hatte eine sehr schöne Kindheit und bin ausgesprochen gerne zur Schule gegangen – obwohl mein Lehrer, ein großer Mann namens Hartmann, streng war und man viel lernen musste. Besonders viel Spaß haben mir Rechnen und Auswendiglernen gemacht. Ich musste zu Hause nicht helfen – das übernahmen meine großen Geschwister. Stattdessen verbrachte ich die Nachmittage meist mit meiner besten Freundin Edith. Im Sommer sind wir am liebsten schwimmen gegangen.

Auch an die Karnevalszeit habe ich wundervolle Erinnerungen. Ich bin – oft als Bauernmädchen verkleidet – zu den Umzügen in Mainz gegangen und habe aus voller Kehle ›Hellau‹ gerufen. Daheim haben wir dann im Wohnzimmer mit Mama und Papa ausgelassen getanzt – herrlich! Mein Vater war übrigens Elektriker; dadurch waren wir die Ersten mit elektrischem Strom im Haus. Nach der Schule machte ich eine zweijährige Lehre zur Näherin. Es war ein ganz besonderer Moment, als ich die Abschlussprüfung bestand und mich ab sofort ›Weißwäschenäherin‹ nennen durfte.

Meinen späteren Mann Karl lernte ich auf der Straße kennen. Seine Eltern hatten eine Gaststätte nicht weit von meinem Zuhause entfernt. Dorthin lud er mich dann ein. Mir gefiel, dass er musikalisch war; er spielte Klavier und Geige. Irgendwann ist er dann zu meinen Eltern gegangen und hat um meine Hand angehalten. Wir heirateten 1935, da war ich 21 und gerade volljährig. Ein Jahr später kam unser Sohn Walter zur Welt. Als Mainz im Krieg ausgebombt wurde, sind wir nach Hadamar gezogen. Karlchen war gelernter Vulkaniseur und machte sich mit einem Reifengeschäft selbstständig, in dem ich an der Kasse arbeitete. Er stellte aus alten Reifen Gummibälle für die Kinder her. Den ersten Ball bekam unsere Tochter Brigitte, die 1940 geboren wurde, aber leider nicht mehr lebt. Dass ich einmal so alt werden würde, hätte ich niemals gedacht. Mit einem Erfolgsrezept oder einer Lebensweisheit kann ich nicht dienen. Mir ist Humor wichtig, ich lache viel und gerne, führte eine glückliche Ehe und bin sehr heimatverbunden. Mainz am schönen Rhein gehört mein Herz, aber auch Hadamar ist mir zur Heimat geworden.

Heute gehört zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, mit meiner Betreuerin Annegret Domanski ins örtliche Rathauscafé zu Kaffee und Kuchen zu gehen, wo ich regelmäßig wieder Bekannte von früher treffe. Dann ist die Freude groß! Bei diesen kleinen Ausflügen lege ich immer meinen roten Lippenstift auf, denn gepflegtes Aussehen ist mir wichtig. Wann immer ich mir das wünsche, lackiert mir Annegret die Fingernägel, am liebsten mit rosafarbenem Lack. Jeden Samstag kommt außerdem der Friseur ins Haus und macht mir meine Haare. Besonders hübsch aussehen möchte ich natürlich auch an meinem 100. Geburtstag. Da gibt es einen Sektempfang für alle. Ich bin jedenfalls sehr froh, dass ich noch da bin!«

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