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Erben, (k)ein Thema im Seniorenzentrum

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Wer etwas zu vererben hat und in eine Senioreneinrichtung zieht, sollte zuvor seinen Nachlass planen. Sind die Verhältnisse geklärt, fördert dies den Familienfrieden.

Bergisch-Gladbach ist ein beschauliches Städtchen mit prächtigem Schloss und dem stattlichen Kardinal-Schulte-Haus des Erzbistums Köln. Den Menschen geht es gut hier, auch den Bewohnern des AWO Seniorenzentrums Saaler Mühle. Es gibt wie in jedem Haus Sozialhilfeempfänger, doch weit über die Hälfte der 106 hier lebenden Frauen und Männer können die Heimunterbringung sogar aus eigener Tasche finanzieren – und die kostet immerhin, je nach Pflegestufe, zwischen 2.500 und über 4.000 Euro pro Monat. Geld, das nur selten komplett aus laufenden Einnahmen wie Rente, Pension oder Mieteinnah-men bezahlt werden kann. Meist muss das Ersparte herangezogen werden, wobei auch größere Summen, wenn sie denn vorhanden sind, nur relative Sicherheit bieten. »100.000 Euro beispielsweise können schnell schrumpfen«, sagt Einrichtungsleiter Philip Esser. »Erst recht, wenn beide Elternteile auf stationäre Pflege angewiesen sind.«

Vor der Aufnahme von Mutter und/oder Vater führt Herr Esser daher intensive Aufklärungsgespräche, in denen auch das Finanzielle besprochen wird. Da müssten die Angehörigen zuweilen schon schlucken, wenn sie realisieren, dass das Vermögen oder Teile hiervon für die Versorgung zum Einsatz kommen. Wer glaubt, das Geld auf dem elterlichen Konto abheben zu können, bevor der Heimvertrag unterzeichnet wird, irrt.

Die Ämter sind sehr akribisch in ihrer Recherche und kriegen heraus, wo das Vermögen geblieben ist.

Eine Schenkung muss mindestens zehn Jahre vorher stattgefunden haben. Werden diese Fristen nicht eingehalten, gilt es, die Beträge wieder zurückzuzahlen. Nur, weil man mit einer neuen finanziellen Herausforderung konfrontiert ist und damit umgehen muss, heißt das jedoch noch lange nicht, dass die Nachkommen einzig das Erbe im Blick haben. Bei den meisten Angehörigen ist die Erleichterung erst einmal groß, wenn sie den pflegebedürftigen Elternteil in liebevolle Profihände geben können. Denn wer einen Platz in einer Pflegeeinrichtung sucht , hat oft eine Odyssee hinter sich mit Unfällen, Krankenhaus-Aufenthalten und Überforderung auf allen Seiten.

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Einrichtungsleiter Philip Esser ©Eric Langerbeins, COMMWORK Werbeagentur
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Pflegedienstleiterin ©Eric Langerbeins, COMMWORK Werbeagentur

»Wir haben es fast immer mit einer fürsorglichen Verwandtschaft zu tun. Das Wohl der durch Krieg und Nachkriegszeit gebeutelten Generation liegt den Kindern am Herzen.«
Lynette Zipfinger, Pflegedienstleiterin im AWO Seniorenzentrum Saaler Mühle

Nur bei der rechtzeitigen Nachlassregelung hapert es manches Mal. Schätzungen zufolge hat nicht mal ein Drittel der Bundesbürger ein Testament . Wenn jedoch kein letzter Wille hinterlassen wurde, greift die gesetzliche Erbfolge, das heißt, es bleibt in der Familie. Dagegen ist im Grunde nichts einzuwenden, wenn die Verwandtschaft intakt ist, wovon auch der Gesetzgeber ausgeht. Aber: »Es kommt auch immer wieder zu familiären Streitigkeiten«, weiß Einrichtungsleiter Philip Esser, der seit elf Jahren im Bezirksverband Mittelrhein tätig ist und schon ein paar unerfreuliche Fälle erlebt hat. Da würden Geschwister den Kontakt abbrechen, sogar ihren Zwist vor Gericht austragen mit der Folge eines Umgangsverbots, um Eskalationen in der Einrichtung zu vermeiden. Leidtragende sind alle Beteiligten, denn mehr als um das liebe Geld geht es um verletzte Gefühle.

 

Eine schwierige Situation auch für uns, schließlich wollen wir als Dienstleistungsunternehmen professionelle Pflege etablieren und nichts falsch machen.

Philip Esser, Einrichtungsleiter im AWO Seniorenzentrum Saaler Mühle. Die hochbetagten Eltern haben keine Kraft mehr für Konflikte, zumal das mühsam Angesparte, um das es geht, im Alltag kaum noch ausgegeben wird. In der Einrichtung wird ja für alles gesorgt, vom Frühstück bis zum Abendessen, von der medizinischen Betreuung bis zur Freizeitgestaltung.

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Auch wenn es also dem einen oder anderen widerstrebt – denn wer beschäftigt sich schon gerne mit dem Tod –: Eine frühe Auseinandersetzung mit der Nachlassfrage ist ratsam. Idealerweise schon vor dem Einzug in eine Einrichtung. Das ist eine Phase, in der man sich ohnehin durch die vielen Vollmachten, die heutzutage ausgefüllt werden (wie Vorsorgevollmacht, Patienten- und Betreuungsverfügung), automatisch diesem Thema widmet. Tipps zum Erbrecht gibt es bei den Verbraucherzentralen (mit dem Band »Was ich als Erbe wissen muss – Neuer Ratgeber der Verbraucherzentralen«) oder natürlich auch beim Rechtsanwalt oder Notar des Vertrauens.

Gott sei Dank läuft es laut Einrichtungsleiter bei den meisten Familien harmonisch. Es gebe so viele tolle Beispiele, wo alles fair und ohne Probleme am Tisch geklärt würde.

»Wenn man vorher die Dinge regelt, ist es für alle einfacher«, sagt Lynette Zipfinger, die selbst eine Erb-Reihenfolge testamentarisch festgelegt hat . Das Gute: Ist es einmal geklärt, muss man sich damit nicht weiter befassen und kann sich wieder der Leichtigkeit des Seins erfreuen. Frei nach Albert Schweitzer: »Die besten Dinge im Leben sind nicht die, die man für Geld bekommt.«

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