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Erinnerungen einer Altenpflegerin

von der Gast-Autorin Roswitha von der Heide aus Herzogenrath

Liebes AWO-Journal-Team,

anlässlich eines Besuches im Seniorenzentrum Haus Merkstein, meine Tante und Onkel leben hier im betreuten Wohnen und meine Cousine arbeitet hier schon seit 25 Jahren als Altenpflegerin, blätterte ich im AWO-Journal. Ich mußte plötzlich an meine Tätigkeit in der Sozialstation Herzogenrath-Merkstein 1995 denken. Wie gerne habe ich meinen Beruf ausgeübt, als mein Bruder meine Hilfe brauchte mußte ich leider schweren Herzens aufhören.

Gerne denke ich an „meine Patienten“ zurück. An den alleinlebenden Herrn, der seine verstorbene Frau vermisste.

„Jeden Morgen vor dem Frühstück tranken wir einen Wachholderschnaps, wir waren kerngesund, und dann starb sie ganz plötzlich“, sagte er traurig.

Jeden morgen trank ich als erstes mit ihm einen Wachholderschnaps im Gedenken an seine Frau, er freute sich schon jeden Tag auf mein Kommen und lebte richtig auf. Noch lange nach meinem Ausscheiden von der Sozialstation rief er mich an und fragte wie es mir ginge.

Dann war da die fleißige Bauernfamilie, der Vater war pflegebedürftig erkrankt. Jeden Morgen, wenn ich ankam, die Familie war bereits aus dem Hause, flackerte  das Feuer im Kohleherd, darauf eine Kanne Kaffee, die leise vor sich hin köchelte. Nachdem ich den Vater aus dem Bett geholt und gewaschen und angezogen hatte setzte ich ihn an den Küchentisch und bereitete sein Frühstück zu. Er sprach seit langem nicht mehr viel mit seiner Familie es schien ihm sei alles gleichgültig. Das gefiel mir garnicht ich versuchte ihn stets in Gespräche zu verwickeln, da kam mir sein ostpreußisch klingender Name zu Hilfe. Als ich ihn nach  seiner Herkunft fragte und erwähnte meine Mutter sei auch aus Ostpreußen, da war er garnicht mehr zu bremsen. Begeistert erzählte er aus seiner Heimat. Jeden morgen wurde erst einmal auf ostpreußisch „plachandert“. Die Ehefrau war so glücklich, dass ihr Mann wieder auflebte.

Dann war da noch Frau N., 70 Jahre. Eine bemerkenswerte Frau die viel in ihrem Leben geleistet hatte, schwerkrank, aber immer fröhlich. Ihr größter Wunsch war einmal Unterwäsche aus Seide zu tragen.

„Immer habe ich gespart, was habe ich jetzt davon? Ich hätte mir viel mehr erlauben müssen“.

Ich erfüllte ihr den Wunsch und kaufte ihr ganz edle Unterwäsche aus Seide und Spitze. Sie war so glücklich und jeden Tag tranken wir zusammen Malzbier und malten uns aus was wir im nächsten Leben unbedingt machen würden.

Ein anderer Patient, auch allein und einsam, wollte immer eine Zigarette rauchen, aber nicht alleine, das ist so ungemütlich sagte er. Also, ich bin zwar Nichtraucherin, hier machte ich eine Ausnahme und rauchte, ich versuchte es jedenfalls mehr schlecht als recht, jeden morgen 1 Zigarette – und mein Herr S. war überglücklich.

Noch viele lustige und nachdenklich machende Geschichten könnte ich erzählen, jeder Mensch, für den ich in dieser Zeit verantwortlich war, hatte etwas liebenswertes an sich und ich habe von jedem viel gelernt: Sein Schicksal annehmen, optimistisch bleiben, jeden Tag wenn es geht, genießen, Gottvertrauen nicht verlieren.

Auch die Zusammenarbeit  mit meinen damaligen Kolleginnen war einmalig, so einen Zusammenhalt habe ich nie wieder erlebt. Was ich von Ihnen gelernt habe, habe ich stets beherzigt: Wenn du unsere Patienten gut versorgt hast und ein zufriedenes Gefühl hast wenn du deren Wohnung verlässt, dann ist es in Ordnung!

Es grüßt Sie ganz herzlich
Roswitha von der Heide

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