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Es geschah kurz nach Mitternacht

Als der Orkan Vincinette mit über 130 Stundenkilometern in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 über Norddeutschland rast, schläft der Großteil der dortigen Bewohner. Vermeintlich gut geschützt durch die sie einschließenden Deiche, wiegen sie sich in Sicherheit. Ein folgenschwerer Trugschluss.

Nach tagelang wütendem Sturm über der Nordsee erreicht der Orkan namens „die Siegreiche“ die Freie und Hansestadt Hamburg. Am Abend des 16. Februars 1962 rufen die Behörden zwar die höchste Alarmstufe aus, einen Anlass zur Evakuierung der entsprechend nahe den Deichen wohnenden Bürger sieht man jedoch nicht. Seit der letzten großen Überschwemmung im Jahr 1825 fühlt sich die Millionenmetropole gut gewappnet. Doch kurz nach Mitternacht bricht der erste von später 61 Deichen.

Binnen weniger Minuten drängen sich unaufhaltsame Wassermassen in die Stadt und überraschen die Hamburger im Schlaf.

An Flucht ist da für den Großteil der Bewohner des Stadtteils Wilhelmsburg schon nicht mehr zu denken. Viele der Menschen dort leben in bescheidenen Behelfsunterkünften, die von den Fluten schlicht und einfach innerhalb kürzester Zeit verschluckt werden. Einige retten sich auf die Hausdächer, andere versuchen sich auf ihren Pkw sitzend in Sicherheit zu bringen. Doch für 200 Menschen allein in Wilhelmsburg kommt jede Hilfe zu spät.

Während  Tausende Hamburger von den Wassermassen, die mittlerweile über ein Fünftel der Stadt überschwemmten, eingeschlossen und gefangen waren, kam von den Behörden noch keine Reaktion. Erst nach Stunden der Angst und Kälte wurde der damalige Polizeisenator, SPD-Politiker Helmut Schmidt, über die Ausmaße der Sturmflut informiert.

In den frühen Morgenstunden trifft Helmut Schmidt im Lagezentrum ein. Erst da wird der Schaden und Schrecken sichtbar.

Der damals erst seit knapp zwei Monaten im Amt tätige Polizeisenator Schmidt fackelt nicht lange und ruft wider der Gesetzeslage, die den Eingriff der Bundeswehr bei zivilen Katastrophen verbot, Hilfe. Der derzeit 43-Jährige trommelt über 25.000 Helfer zusammen. Darunter sind neben einer Vielzahl Freiwilliger der Feuerwehr, dem THW und dem Roten Kreuz auch Polizisten, Bundeswehrsoldaten und Soldaten der Nato-Streitkräfte, die noch Tage und teils Monate nach der Flutkatastrophe im unermüdlichen Einsatz sind.

Mit insgesamt 315 Toten sowie Tausenden ertrunkenen Nutz- und Haustieren ist die Sturmflut von 1962 die schwerste Katastrophe in Deutschlands Nachkriegszeit. Zehntausende Unterkünfte waren über Monate nicht bewohnbar oder mussten abgerissen werden. Der Gesamtschaden wurde auf rund drei Milliarden D-Mark geschätzt. Eine Soforthilfe von 50 D-Mark für jeden Betroffenen war natürlich nur ein kleiner Trost.

Bis heute sehen die Norddeutschen eine große Bedrohung in künftigen Sturmfluten.

Doch die Stadt Hamburg hat aus dieser schrecklichen Katastrophe Konsequenzen gezogen. Heute, exakt 50 Jahre nach der großen Flut, sind die Deiche in der Elbmetropole auf eine Höhe von neun Metern über Normalnull aufgestockt worden, sodass die Schutzwälle laut aktueller Studien bis 2030 auch noch so heftigen Wetterlagen standhalten werden.

Haben Sie die Sturmflut von 1962 miterlebt? Teilen Sie über die „Kommentar-Funktion“ Ihre Erinnerungen mit uns.

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