in

Ahnenforschung leicht gemacht – Wie man die Familiengeschichte herausfinden kann

© iStockphoto

Wo komme ich her? Wer waren meine Vorfahren? Und warum bin ich so, wie ich bin? Immer mehr Menschen begeben sich auf eine Reise durch ihre Familiengeschichte. Heute muss man dafür nicht unbedingt einen Ahnenforscher engagieren oder in staubigen Archiven wühlen, sondern kann per Mausklick Verwandte in aller Welt suchen.

Alles beginnt mit einem Foto, schwarz-weiß, die Rückseite vergilbt, die Ränder angestoßen. Und plötzlich sind da viele Fragen: Was für ein Mensch war mein Opa eigentlich? Wo ist meine Oma aufgewachsen? Wie lebten eigentlich die Eltern meiner Großeltern? Und welche Berufe hatten sie? Die Suche nach der eigenen Familiengeschichte nimmt ihren Anfang oft zu Hause. Meistens sind es persönliche Dinge oder Erbstücke, die den Stein ins Rollen bringen: Das können ein alter Ring, ein Koffer auf dem Dachboden, eine Taschenuhr mit Initialen, ein Brief oder eben ein Foto sein. In den USA ist die Suche nach den Vorfahren längst ein beliebter Zeitvertreib und auch hierzulande scheinen immer mehr Menschen von der Suche nach den eigenen Ahnen fasziniert zu sein. Für viele Familien ist es da ein Glück, wenn man als älterer Verwandter noch Auskunft geben kann oder sogar beim gemeinsamen Blättern im Fotoalbum dieden Kommentatorin spielt. Denn ohne Namen, Geburtsdaten und Wohnorte wird es schwierig. Und selbst mit diesen Informationen ist der Weg oft lang und frustrierend. Wer hobbymäßig in der Familienforschung, auch Genealogie, unterwegs ist, sucht oft über Jahre hinweg und kommt nur mühsam vorwärts. Man durchforstet Kirchenbücher, Archive und Standesämter nach Einträgen zu Geburt, Heirat und Tod. Dafür braucht es vor allem Geduld und Ausdauer. Denn Hürden gibt es viele.

Da ist zunächst, ganz banal, die Schrift. Ein Großteil der historischen Dokumente aus Deutschland wurde handschriftlich verfasst, in der deutschen Kurrentschrift und ihrer Sütterlinvariante. Ohne Kenntnis und reichlich Übung sind die Schriften für jüngere Generationen heute kaum mehr lesbar. Auch andere Sprachen können ein Hindernis sein, wenn man plötzlich feststellt, dass Teile der Verwandtschaft vor Jahren ausgewandert sind. Ein Umstand, der übrigens sehr wahrscheinlich ist. Vor allem die USA waren zu diversen Zeitpunkten in der Geschichte ein beliebtes Einwanderungsland für die Deutschen. Große Migrationswellen schwappten zur Zeit der Deutschen Revolution 1848/1849 sowie während des Ersten und Zweiten Weltkriegs und in den Nachkriegsjahren nach Übersee. Gut möglich also, dass man bei der Ahnenforschung auf Quellen in einer anderen Sprache zurückgreifen muss oder sogar Kontakt zu noch lebenden amerikanischen Verwandten knüpfen kann. Durch die Kriege sind nicht nur Menschen ausgewandert, sondern auch unzählige Kirchen und Ämter mitsamt den Dokumenten zerstört worden. Das erschwert vielerorts die Suche nach Vorfahren, massiv betroffen sind aber die ehemaligen deutschen Ostgebiete wie Ostpreußen, Oberschlesien und Pommern, wo unzählige Unterlagen bis heute in Deutschland und Polen verstreut sind.

© iStockphoto
In den USA ist die Suche nach den Vorfahren längst ein beliebter Zeitvertreib

Eine große Hilfe bei der Suche nach den eigenen Wurzeln ist das Internet. Zahlreiche Genealogieplattformen bieten kostenlos oder gegen Gebühr Zugang zu Millionen von Daten (siehe Portale und Adressen). Sie ermöglichen ihren Nutzerinnen und Nutzern, ganz bequem von zu Hause aus weltweit in digitalisierten Dokumenten zu stöbern, eigene Profile anzulegen, Stammbäume zu erstellen, sich mit anderen Nutzer*innen zu vernetzen und so eventuell Angehörige zu finden.

Wer auch dort nicht weiterkommt, wendet sich am besten an die Expert*innen (siehe Interview S.20). Die können besonders in speziellen Fragen weiterhelfen, weil sie wissen, wo man was sucht, und Kontakte zu Archiven haben. Mit einer Mischung aus Erfahrung und Gespür kommen sie so meist schneller ans Ziel. Egal ob man als Laie oder als Profi forscht, Familiengeschichten sind verzweigt, da braucht es oft auch einfach einen Zufall oder eine Prise Glück.

© iStockphoto

PORTALE UND ADRESSEN

Archion

Das Portal entstand in Zusammenarbeit evangelischer Gemeinden und katholischer Bistümer. Man findet hier rund 80.000 Kirchenbücher aus Deutschland und den ehemaligen Ostgebieten wie Ostpreußen, Pommern und Schlesien. Praktisch: Eine Schrifttafel und Übungen helfen beim Lesen der deutschen Schrift. Der Zugang für einen Monat kostet etwa 20 Euro. archion.de

Volksbund Gräbersuche

Die Datenbank des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. enthält über 4,7 Millionen Einträge von gefallenen und vermissten Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Interessierte können kostenlos nach Verwandten suchen. Der Verein bittet um eine Spende. volksbund.de/graebersuche. html

Pommerscher Greif e. V.

Der gemeinnützige Verein stellt Ortschroniken und eine Datenbank mit Personen aus dem ehemaligen Pommern bereit. Für jeden Kreis gibt es einzelne ehrenamtliche Ansprechpartner*innen. Die Auskunft per E-Mail ist kostenlos, im Gegenzug wird darum gebeten, dem Archiv eigene Unterlagen zur Verfügung zu stellen. pommerscher-greif.de

MyHeritage

Auf einem der weltweit größten Genealogieportale kann man gegen Gebühr einen Stammbaum anlegen, übereinstimmende Profile finden und mit anderen Nutzer*innen Kontakt aufnehmen. Der Zugang für einen Monat im Abonnement kostet etwa 9 Euro. Die Basismitgliedschaft ist kostenlos, die Funktionen sind dann aber eingeschränkt. myheritage.de

Ancestry

Mit über 20 Milliarden digitalisierter Aufzeichnungen ist die Plattform eine der größten Quellen für private Ahnenforschung. Hier findet man Dokumente wie Auswandererlisten, Kirchenbücher, aber auch alte Telefonbücher. Der Zugang für einen Monat im Abonnement kostet etwa 13 Euro. ancestry.de


© UNSPLASH
Der Blick zurück hilft zu verstehen und macht die eigene Familiengeschichte lebendig

INTERVIEW

Andrea Bentschneider hat 2004 ihr Hobby zum Beruf gemacht. In ihrer Agentur »Beyond History« in Hamburg betreibt sie als Berufsgenealogin Ahnen- und Familienforschung.

Frau Bentschneider, wie sind Sie zu diesem außergewöhnlichen Beruf gekommen?

Bei mir ist der Funke schon übergesprungen, als mir mit 19 Jahren ein Bild meiner Großmutter in die Hände fiel. Auf dem Bild war sie selbst 19 Jahre alt und ich entdeckte viele Ähnlichkeiten zwischen uns. Da sie im Krieg gestorben ist, habe ich sie nie kennengelernt. Trotzdem wollte ich plötzlich wissen: Wer war diese Frau?

Mit dieser Neugier sind Sie nicht allein. Unzählige Menschen suchen heute nach ihren Vorfahren. Warum?

Das Internet und soziale Medien wie Facebook und Co. haben das Interesse an Familiengeschichte enorm gesteigert. Man gibt heute einfach seinen Nachnamen in eine Suchmaschine ein und findet vielleicht Menschen mit demselben Namen in Südamerika. Ich beobachte auch, dass sich viele in der heutigen unsicheren Zeit wieder auf das Wesentliche besinnen, nämlich die Familie.

Wer sind Ihre Kunden?

Ich bekomme viele Anfragen aus Deutschland. Aber ein großer Teil meiner Kunden kommt auch aus den USA. Sie sind auf der Suche nach ihren deutschen Vorfahren und eventuell noch lebenden Verwandten.

Welchen Fragen stellen Ihnen die Menschen?

Das sind sehr persönliche Fragen, etwa: Was hat mein Großvater im Krieg gemacht? Wo genau kommen meine Vorfahren her? Adoptivkinder wollen wissen, wer ihre leiblichen Eltern waren, und jüngere Generationen, warum alle still werden, wenn ein bestimmter Name fällt. Manche wollen die Familiengeschichte aber auch als Ahnentafel zum Geburtstag oder Hochzeitsjubiläum verschenken.

Sind Sie bei Ihrer Arbeit mehr Historikerin oder mehr Detektivin?

Sowohl als auch. Jede Familiengeschichte ist anders, also sind auch die Quellen anders. Ich kann nicht nach Schema F arbeiten. Ich habe kürzlich für eine Kaufmannsfamilie aus Hamburg geforscht. Weil ein Großvater Organist war, konnte ich viele Informationen in der Kirche finden, sogar das alte Familiengrab in der Krypta. Bei einer anderen Familie aus dieser Zeit würde man vielleicht nur Geburts- und Sterbeeinträge finden.

An welcher Geschichte haben Sie am längsten geforscht?

Die Dauer hängt auch vom Budget meiner Kunden ab. Ich habe zum Beispiel eine Kundin, für die ich seit zehn Jahren forsche. Dank des Internets tauchen immer wieder neue Quellen auf und Gesetzesänderungen machen andere Quellen plötzlich zugänglich.

Ist es ratsam, als Laie selbst im Internet aktiv zu werden?

Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert. Den einen perfekten Anbieter gibt es allerdings nicht. Eine Alternative zum Einstieg sind genealogische Vereine, die es in vielen Regionen gibt.

Wie funktionieren die Internetportale?

Die Anbieter haben Kooperationen mit Archiven und digitalisieren Dokumente wie Kirchenbücher und Urkunden des Standesamtes. Aber bis alle Daten digital erfasst sind, wird es wohl noch einige Zeit dauern. Dafür sind es schlicht zu viele.

Also muss man sich früher oder später ohnehin an einen Experten wenden?

Ja, zumindest dann, wenn man sich nicht selbst durch Archive und Originalquellen wühlen will. Oft sind es aber auch andere Hürden, vor denen man als Laie steht: etwa, wenn jemand aus München kommt und Quellen in Hamburg sucht oder wenn jemand spezielle Fragen hat, die ein Blick ins Kirchenbuch nicht beantwortet.

Was war die längste Familiengeschichte, die Sie erforscht haben?

Das war ein Geschenk zur Goldenen Hochzeit. Die Ahnentafel, die die Angehörigen dem Paar überreicht haben, umfasste 14 Generationen und begann im Jahr 1620.

Was macht das neue alte Wissen über alte Verwandte mit einem?

Ich bemerke, dass in den Familien oft eine tiefere Verbundenheit entsteht, manchmal entwickelt sich auch ein besseres Verständnis für andere Verwandte. Ahnenforschung fördert den Austausch zwischen den Generationen, die Familien rücken dadurch enger zusammen.

Autorin: Alina Halbe

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Loading…

0

Tipps der Redaktion – Kräutertränke und digitale Kulturschätze

Kann man Beruf und Pflege miteinander vereinbaren?