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Im Gespräch mit dem Fotografen Karsten Thormaehlen

Karsten Thormaelen
©Karsten Thormaehlen

Herr Thormaehlen, für Ihre Fotoprojekte posieren keine professionellen Models, sondern ganz normale Menschen – mit einer Besonderheit: Sie alle sind im hohen Alter.
Stimmt, für die Projekte »Jahrhundertmensch« und »Mit hundert hat man noch Träume« standen zum Beispiel ausschließlich Menschen vor der Kamera, die vor 1914 geboren sind und somit heute über 100 Jahre zählen.

Was begeistert Sie an der Altersfotografie?
Die Gesichter zeigen für mich eine besondere Schönheit. Ihre Alterszeichen weisen auf ein langes Leben hin, hinter dem immer auch ein Schicksal mit einzigartigen Erfahrungen steht. Wer heute zu den Hundertjährigen zählt, wurde zur Kaiserzeit geboren, hat zwei Weltkriege erlebt und ist älter als Einsteins Relativitätstheorie. Dieser Besonderheit versuche ich, mit meinen Bildern Ausdruck zu verleihen.

Spaß am Set: Fotograf Karsten Thormaelen und Model Sibylle Birnstiel
©Karsten Thormaehlen

Die meisten Menschen denken über das fortgeschrittene Alter anders, oder?
Leider schon. In den Köpfen herrschen Bilder von müden, schwachen und hilfsbedürftigen Menschen. Klar, die gibt es, aber nicht ausschließlich. Meine Bilder sollen mit der Verallgemeinerung aufräumen und zeigen, wie viel Lebensfreude, Energie und Würde ältere Menschen ausstrahlen, wenn sie mit wachem Blick in die Kamera schauen oder verschmitzt lächeln.

Wie reagieren Ihre Models, wenn sie das eigene Bildnis im Buch gedruckt oder im Rahmen einer Ausstellung veröffentlicht sehen?
So, wie die meisten Menschen im ersten Augenblick reagieren würden: unsicher. Eitelkeit ist eben keine Frage des Alters. Unterhaltungsmedien und Werbung führen uns permanent junge, schlanke Menschen mit makellosem Aussehen vor Augen. Nach diesen Idealen bewerten wir unser eigenes Äußeres, egal ob jung oder alt. Das kann nicht zufriedenstellen. Ich denke, dass ein neuer, nicht vergleichender Blick auf das Alter dringend nötig ist, um seine Schönheit zu erkennen und wertzuschätzen.

Können Sie als Fotograf den Blick auf das Alter denn beeinflussen?
Ich hoffe, zumindest einen Anstoß geben zu können. Mein jüngstes Projekt »Anmut« beschäftigt sich mit dem Thema »Schönheit und Alter« und versucht, den Schönheitsgeheimnissen von Frauen im Alter von 75 bis 94 auf den Grund zu gehen. Dazu werden Frauen porträtiert, denen ihre Schönheit wichtig ist und die auf ein gepflegtes Äußeres achten. Die Bilder werden ergänzt durch persönliche Texte über das Leben der Frauen, die in Zusammenarbeit mit der Autorin Constanze Kleis entstehen. Wir verstehen das Projekt als Gegenbewegung zum Jugendwahn, den unsere Models übrigens als »überbewertet« bezeichnen.

Wie unterscheiden sich die Bildsprache bei »Anmut« von vorherigen Projekten?
Die Fotografien der Hundertjährigen wurden vor einem dunklen Hintergrund aufgenommen und zeigen lediglich den Kragen von heller, schlichter Kleidung. So liegt der Fokus deutlich auf dem Gesicht. Für »Anmut« spielten Garderobe und Styling eine größere Rolle. Die Frauen wurden professionell geschminkt und frisiert, sind aber in ihren eigenen Lieblingskleidern vor die Kamera getreten. Mit ihrem Outfit und verschiedenen Posen drücken sie ihr eigenes Verständnis von Schönheit und ihren persönlichen Geschmack aus – von schlichter Eleganz bis hin zur eher theatralischen Haltung ist alles zu sehen.

Und haben sie ihre Schönheitsgeheimnisse verraten?
Ein echtes Geheimnis wurde nicht gelüftet. Die Frauen gehen aber sorgsam mit dem eigenen Körper um und halten sich meist an die allgemein bekannten Beauty-Tipps: Sie schützen die Haut vor zuviel Sonne, trinken ausreichend Wasser, gönnen Körper und Geist genügend Schlaf. Gleichzeitig waren sich die Frauen einig, dass Mode und Kosmetik auch im Alter Spaß machen, aber zum Typ passen müssten. Den Bildern sieht man an, dass die Frauen sich vor der Kamera wohlfühlten und es genießen konnten, im Mittelpunkt zu stehen. Das Selbstbewusstsein und die Freude, die sie ausstrahlen, machen ganz sicher schön.

»Ich mache keine Bilder vom Alter, sondern vom Leben.«

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