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Unter Männern – schwul in der DDR

Wer nicht den von der Gesellschaft auferlegten Normen entspricht, hat es nicht leicht. Wer noch dazu in einem Land lebt, das von der Norm diktiert wird, hat es noch sehr viel schwerer. Oder? Als gebürtiger Ostdeutscher, der selbst gerade noch das Pionierhalstuch bekam, bevor sein Land zusammenbrach, begab sich der heute 29-jährige und homosexuelle Ringo Rösener auf die Suche. Nach schwulen Männern, die zu Zeiten der DDR in der Pubertät oder im Erwachsenenalter waren.

Ringo Rösener und sein Regiepartner Markus Stein besuchen in ihrem Dokumentarfilm sechs Männer, die ihre Homosexualität in der damaligen Deutschen Demokratischen Republik gelebt haben. Oder eben auch nicht. Denn Schwule und Lesben wurden unter Honeckers Regime zu Staatsfeinden erklärt, wenn sie ihr staatlich auferlegtes Schweigen brachen und ihre sexuelle Neigung zeigten. Zwar wurde seit den 50er Jahren das Schwulsein nicht mehr geahndet, es blieb jedoch die Auflage der absoluten Unterdrückung seiner Gefühle in der Öffentlichkeit.

Zum ersten Mal fragt ein Film danach, ob und wenn ja, wie offen die Homosexualität im Sozialismus gelebt werden konnte.

Sechs Männer, die sich getraut haben, reden in Rösener’s Debütfilm, dessen Erstaufführung auf der diesjährigen Berlinale stattfand, über ihr Leben, ihr Outing oder ihr Versteckspiel in der ehemaligen DDR. Einige unter ihnen sprechen das erste Mal überhaupt offen und frei über ihre Sexualität. Und obwohl sie diesbezüglich alle denselben Hintergrund haben, könnten ihre Erfahrungen unterschiedlicher nicht sein.

Der studierte Latein- und Sportlehrer Christian Schulz (1934) merkt, dass er „anders“ ist und lässt sich sogar von einem Arzt gegen das Unaussprechliche behandeln bis er versteht, dass dieses Unterfangen hoffnungslos ist. Erst da begibt er sich auf die Suche nach seiner großen Liebe nach Leipzig. Ähnlich ging es auch John Zinner (1968), der in der tiefsten Provinz im Thüringer Wald nicht von Anfang an zu seinen echten Gefühlen stehen konnte. Er ging sogar so weit, dass er auf Skiern der DDR entfliehen wollte. In Gedanken an seine große Liebe – ein ahnungsloser heterosexueller Klassenkamerad – kehrte er jedoch wieder um und outete sich. Und plötzlich traf er viele Gleichgesinnte.

Ganz anders erinnern sich der Grafiker und Zeichner Jürgen Wittdorf (1932) und der bekannteste Friseur der DDR Frank Schäfer (1959) an ihr Schwulsein im Sozialismus. Zwar entdeckte Wittdorf erst nach Beginn seines Aktzeichenstudiums in den 50er Jahren durch den Kontakt zu Männern aus der schwulen Szene seine eigene homosexuelle Neigung, diese lebte er jedoch fortan ohne Angst in Leipzig aus. Genauso ging es dem Erfinder der Punkfrisur im Sozialismus, Frank Schäfer, der so lebte, wie er wollte. Bis ihm die DDR irgendwann zu klein wurde.

Für Helwin Leuschner (1934) war die DDR ein reines Schwulenparadies.

Als er 1972 mit seinem nach Chile ausgewanderten Vater in seine Heimat, die DDR, zurückkehrte, empfand er das dortige Leben als Homosexueller als sehr viel unkomplizierter im Gegensatz zu Südamerika, wo er geächtet wurde. Der sechste Mann im Dokumentarfilm, Eduard Stapels (1953), hingegen fühlte genau das Gegenteil. Deswegen suchte sich der studierte Theologe für seinen Kampf um die freie Auslebung der Sexualität den einzigen Ort, an dem der Staat nichts gegen Schwule unternehmen konnte: die Kirche.

„Unter Männern – schwul in der DDR“ ist alles in allem ein gelungenes und pointiert erzähltes Plädoyer für das Recht auf selbstbestimmte Sexualität und die Freiheit, einfach nur man selbst zu sein.

Der Film wird ab dem 26. April 2012 auf unseren Leinwänden gezeigt – schauen Sie direkt nach, in welchem Kino in Ihrer Nähe Sie ihn sehen können!

 

 

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