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Wohin mit dem Erbe? – Was man beim Thema Erbrecht und Testament beachten sollte

©Eric Langerbeins, COMMWORK Werbeagentur

Nicht wenige Familien haben sich beim Erben schon entzweit. Neue Familienmodelle und eine Generation wohlhabender Senioren liefern jetzt neuen Zündstoff für den Kampf um den Nachlass.

Die klassische Vater-Mutter-Kind-Konstellation ist ein Auslaufmodell, stattdessen gibt es weit verzweigte Beziehungsgeflechte mit Zweitehen und Patchwork-Familie. Zudem sind die zukünftigen potenziellen Erblasser mitunter sehr vermögend. Deshalb ist gute Vorsorge wichtig – für das eigene Gewissen, aber auch um den Angehörigen eine Menge Ärger zu ersparen.

Thomas Lampe ist seit über 30 Jahren als Rechtsanwalt tätig, seit 2007 beschäftigt er sich hauptsächlich mit dem Erbrecht. Im Interview erklärt er, warum sich jeder Gedanken über die Erbfolge machen sollte, auf welche Formalitäten man beim Verfassen eines Testaments achten muss und wann man einen Fachmann zu Rate ziehen sollte.

Recht
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Herr Lampe, was passiert mit dem Nachlass nach dem Tod?
Wenn es kein Testament, Erbvertrag oder Ähnliches gibt, tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Das heißt die Eltern vererben an ihre Kinder. Gibt es keine Kinder, erben wieder die Eltern des Verstorbenen und sein Ehegatte. Sind die Eltern ebenfalls schon verstorben, erben die Geschwister bzw. deren Kinder.

Ab welchem Alter sollte man sich mit dem Nachlass beschäftigen?
Das ist keine Frage des Alters. Es geht vielmehr um die beiden Fragen: Wer erbt, wenn ich sterbe? Und was habe ich zu vererben? Es ist nie zu früh, sich damit auseinanderzusetzen. Das Testament sollte insbesondere den veränderten Lebensphasen, z. B. Single, verheiratet, geschieden usw., oder den Vermögensverhältnissen,angepasst werden.

Wer einmal ein Testament geschrieben hat, hat also alle Pflichten erledigt?
Das ist ein weit verbreiteter Irrglaube. Ebenso wie die Annahme, dass man ein Testament nicht mehr ändern kann. Ein Testament ist nur eine momentane Regelung für den Verbleib des Erbes. Mit jeder neuen Lebenssituation sollten Sie auch Ihr Testament noch einmal überdenken.

Was heißt das in Bezug auf Pflegebedürftigkeit oder einen Umzug in ein Seniorenzentrum?
Nun ist es höchste Zeit, sich Gedanken um den Nachlass zu machen. Wer jetzt ein Testament verfasst, sollte sich von einem neutralen Facharzt attestieren attestieren lassen, dass man noch testierfähig ist, wenn es Anhaltspunkte für geistige Schwächen gibt. Das ist ab einem gewissen Grad der Demenz nämlich nicht mehr der Fall. Legen Sie dieses Attest zu Ihren Unterlagen, nicht zum Testament. Sonst könnte man später vermuten, dass Sie zu diesem Zeitpunkt selbst an Ihren geistigen Fähigkeiten gezweifelt haben.

Wohin mit dem geschriebenen Testament?
Lassen Sie es unbedingt von einem Anwalt oder Notar hinterlegen. In der Nachttischschublade ist es nicht gut aufgehoben. So gerät es leicht in die falschen Hände und gelangt eventuell nie zum Nachlassgericht. Es kann auch verkramt werden, beim Umzug verloren gehen oder verbrennen.

Wie erfahren die Erben vom Erbe?
Es gibt keine staatliche Stelle, die einen über ein mögliches Erbe informiert. Nur wenn ein Testament hinterlegt ist, kontaktiert das Nachlassgericht nach der Testamentseröffnung alle darin genannten Personen bzw. ermittelt die nicht genannten. In intakten Familienstrukturen sollte die Benachrichtigung innerhalb der Familie erfolgen. Sagen Sie Ihren Kindern auch möglichst zu Lebzeiten, dass sie Schulden haben, damit sie das Erbe ausschlagen können.

Worauf muss ich beim Verfassen eines Testaments achten?
Ein privates Testament muss vollständig handschriftlich verfasst sein mit Datum und Unterschrift. Machen Sie etwa durch eine Überschrift deutlich, dass es ein Testament ist, und benutzen Sie ein leeres Papier, nicht die Rückseite eines Kassenzettels o. Ä. Ein solches Schreiben könnte lediglich für einen Entwurf gehalten werden. Am besten lässt man allerdings einen Anwalt oder Notar prüfen, ob alles formal korrekt ist.

Was sind die typischsten Fehler?
Es gibt Testamente, in denen der Erblasser seitenweise persönliche Dinge an einzelne Personen aufteilt, aber keinen Erben nennt. Da steht dann etwa ,Hans bekommt die Taschenuhr und Uta den Schmuck’, aber es wird nicht gesagt, wer das Erbe, also die Rechtsfolge antreten soll. Durch diese sogenannten Verteilertestamente ist das Nachlassgericht verpflichtet, aufwendige Ermittlungen durchzuführen. Auch Erbengemeinschaften können problematisch sein. Wenn mehrere Personen als Erben eingesetzt werden, gehört dann diesen Personen alles gemeinsam. Es muss mehrheitlich entschieden werden, was häufig zu Streit führt. Außerdem können Testamente ausgelegt werden. Begründen Sie also nicht, warum Sie wem was vererben, sondern formulieren Sie knapp und deutlich. Aussagen wie ,Herbert bekommt nichts, weil er damals …’ können nach dem Tod angefochten werden. Liefert Herbert dann ausreichend Gegenbeweise, verliert das Testament eventuell sogar seine Gültigkeit.

Macht es Sinn, Teile des Nachlasses schon vor dem Tod weiterzugeben?
Vor allem Gegenstände, die einen hohen emotionalen Wert haben, werden gerne schon zu Lebzeiten, also mit warmer Hand, verschenkt. Wird man plötzlich zum Pflegefall, kann man zudem überlegen, einem Kind etwa ein Haus zu übertragen. Doch bei aller Großzügigkeit sollte man sicherstellen, dass die eigenen Pflegekosten auf jeden Fall noch gesichert sind und sich nicht so entreichern, dass man plötzlich in Armut lebt.

Was ist ein Berliner Testament?
Dabei setzen sich die Ehepartner gegenseitig als Erben ein und bestimmen dann einen Schlusserben, auf den das Vermögen nach dem Tod des Letztsterbenden übergeht. Nur Ehegatten haben das Privileg, ein gemeinsames Testament aufzusetzen. Das ist dann nach dem Tod eines Ehepartners oder dessen Testierunfähigkeit nicht mehr änderbar, wenn dies nicht gesondert im Testament bezeichnet ist. Aber Vorsicht: Diese gemeinschaftlichen Erbverträge geraten gerne in Vergessenheit, und alle nachfolgenden Testamente verlieren ihre Gültigkeit. Ansonsten gilt generell immer das letzte Testament.

Was ist der Pflichtteil?
Der Pflichtteil ist eine Mindestbeteiligung am Nachlass, der den nächsten Angehörigen des Erblassers zusteht – egal, was im Testament steht. Zu diesen Personen zählen etwa Kinder, Enkel, sofern die Kinder nicht mehr leben, Eltern, Ehegatten und eingetragene Lebenspartner.

Was raten Sie Familien, bei denen ein Streit vorprogrammiert ist?
In solchen Fällen rate ich zur Einsetzung eines Testamentsvollstreckers. Wenn man schon weiß, dass sich die Familie untereinander nicht ausstehen kann, sollte man sicher sein, dass der letzte Wille auch wirklich vollzogen wird.

Wer kann das sein und was sind seine Aufgaben?
Jeder, der voll geschäftsfähig ist, kann zum Testamentsvollstrecker berufen werden. Seine Aufgaben können umfangreich sein, je nach den im Testament übertragenen Befugnissen und Aufgaben. Er kümmert sich vor allem um die Auseinandersetzung des Nachlasses und um die Vermächtnisse. Er trägt also Sorge dafür, dass jeder das bekommt, was ihm laut Testament zusteht. Achten Sie bei der Wahl dieser Person darauf, dass sie möglichst neutral ist und Sie ihr vertrauen.

Wer erbt, wenn man keine Familienangehörigen mehr hat?
Das Nachlassgericht ermittelt sehr umfangreich. Finden sie aber niemanden, erbt letztlich der Staat.

Kann man seinen Besitz einem Seniorenzentrum vererben?
Das ist ein kompliziertes Kapitel. Dies ist nach den Grundsätzen des Heimgesetzes zunächst untersagt, auch hängt es davon ab, ob der Heimträger vom Erbe wusste oder nicht. Außerdem sind die Menschen oft in einem Zustand, in dem nicht mehr eindeutig ist, ob sie überhaupt noch testierfähig sind. Dazu kommt dann der Betreuer, der weiß, dass bei diesem Bewohner etwas zu holen ist. Es gibt Fälle, wo Betreuer und Bewohner enge Beziehungen aufgebaut haben und der Wunsch, diesem Betreuer etwas zu hinterlassen nachvollziehbar ist, andererseits gibt es auch Fälle von Missbrauch. Wichtig ist, sich hier professionelle Hilfe zu holen. Rechtsanwälte und Notare kommen übrigens auch in Pflegeeinrichtungen.

Im Internet findet man jede Menge Muster-Testamente und Vordrucke. Wie nützlich sind die?
Jedes Testament ist individuell. Man kann im Internet ja auch nicht nur einen Anzug bestellen, der dann jedem passt. Ein Testament ist maßgeschneidert. Überdenken Sie das Kosten-Nutzen- Verhältnis. Notare und Anwälte kosten Geld, aber das ist im Vergleich zu dem, was viele Verstorbene der Familie an Streit und Ärger hinterlassen, eine Kleinigkeit.

Es gibt ein zentrales Testamentsregister der Bundesnotarkammer mit umfangreichen Informationen zum Erben und Vererben. Hier findet man ein ausführliches Glossar, und eine Suchmaschine findet Notare in der Nähe des eigenen Wohnsitzes.

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