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Freiwillige vor!

Sie musizieren gern, haben einen grünen Daumen oder sind ein guter Zuhörer? Egal welche Talente und Fähigkeiten jemand mitbringt – jedes Engagement für andere macht den Alltag liebens- und lebenswerter. Das AWO Journal stellt einige dieser »guten Geister« und ihr Ehrenamt vor – stellvertretend für die zahlreichen Männer und Frauen, die mit viel Herz und Verstand Gutes tun.

Die Nachmittagssonne bringt das herbstliche Rot und Gelb der alten Buchen am Ufer zum Leuchten. Die letzten Paddelboote der Saison ziehen übers Wasser. Weit hinten im Dunst sind die Alpen zu sehen. Hier, im Ferienort Uffing am oberbayerischen Staffelsee, haben es sich die Bewohner des AWO Seniorenzentrums Peiting gemütlich gemacht. Sie genießen im Biergarten des Gasthofs »Alpenblick« zur Brotzeit den Blick auf das »Blaue Land« – benannt nach der Lieblingsfarbe von König Ludwig II. Über den Monarchen, aber auch die Künstlergruppe »Der Blaue Reiter«, die diese Region vor hundert Jahren mit ihren Bildern berühmt machte, erzählt jetzt Maximilian Schütz. Der 68-Jährige kennt sich bestens aus in seiner Heimat. Und er gibt dieses Wissen gern weiter an die Senioren, die er seit anderthalb Jahren jeden Donnerstag zu einem Ausflug einlädt.

»Damals las ich einen Aufruf in der  Tageszeitung«, sagt der Beamte a.D.  »Es wurden Leute gesucht,  die Lust und Zeit haben, sich mit den Bewohnern zu  beschäftigen. Das sprach mich sofort an,  denn ich wollte unbedingt etwas  Vernünftiges machen.«

Was »etwas Vernünftiges« ist, stellte sich erst in mehreren Gesprächen mit der Einrichtungsleitung heraus, denn als passionierter »Outdoor-Mensch« kamen für ihn Rollstuhlschieben oder Vorlesen nicht infrage. Wer sich unentgeltlich einbringt, sollte auch etwas tun, das ihm selbst Freude bereitet. Im Fall von Maximilian Schütz war schließlich der Kleinbus des AWO Hauses Auslöser für seinen Einsatz als Reiseleiter. Genau das richtige Gefährt, um für ein paar Stunden das Umland zu erkunden. »Viele kommen ja aus anderen Teilen Deutschlands und sind erst im Alter wegen ihrer Kinder hierhergezogen«, sagt Herr Schütz. »Denen kann ich dann unser schönes Oberbayern zeigen. Sie sind im doppelten Sinne dankbar für den Blick nach draußen.« Mit Stolz in der Stimme erzählt er, dass bisher noch kein Ausflugsziel ein zweites Mal angesteuert wurde.

Auf eine ganz andere, nicht minder wertvolle Art bringt sich seine Co-Ehrenamtlerin Marlene Müller ein: Sie ist für die Bepflanzung im AWO Haus Peiting zuständig und kommt zweimal die Woche zum Blumengießen oder Umtopfen. »Ich wollte etwas tun, aber zeitlich unabhängig sein«, so die Hobbygärtnerin. Ähnlich geht es Ursula Samer, die regelmäßig mit ihrer Labrador-Hündin bei der AWO Feldkirchen-Westerham vorbeischaut und besonders Bettlägrige erfreut. »Viele leben förmlich auf, wenn sie meiner Sheila Leckerli geben und ihr dabei das Fell kraulen.« Anke Höning wiederum gehört zum Besuchsdienst der AWO Markt Schwaben, d. h. sie kümmert sich um einzelne Bewohner, plaudert mit ihnen und führt sie durch den Garten.

»Diese Begegnungen bereichern auch mich«, erklärt die 68-Jährige. »Man geht hier nie unnütz rein.«

In den AWO Seniorenzentren von Oberbayern bis Ostfriesland wird ein vielseitiges Programm angeboten, das es nur mithilfe solcher engagierten Menschen geben kann. Sie sind die Stützen und oft auch die Seele eines Hauses. Im stramm durchorganisierten Pflegealltag bleibt kaum Zeit für entspannte Gespräche oder einen Bummel mit den Bewohnern. Umso wichtiger ist es, Nachwuchs für Freiwilligenarbeit zu rekrutieren. Immer wieder wird beklagt, dass sich die jüngere Generation dafür nicht interessiere. Sicherlich, von alleine kommen gerade die ganz Jungen meist nicht auf die Idee, Seniorenheime zu besuchen. Man muss sie heranführen, ihnen die Berührungsängste nehmen. So kooperiert zum Beispiel die AWO in Markt Schwaben mit der örtlichen Schule. Regelmäßig spielen ein paar Fünft- und Sechstklässler mit den Senioren, sogar per Wii-Konsole. Und in Fürstenfeldbruck gibt es »Handyberatung« – zum großen Spaß von Jung und Alt.

Es herrschen keine Zustände wie in den USA, dem Land der »Volonteers«, wo sich fast jeder Zweite ehrenamtlich engagiert. Aber auch wir müssen uns nicht verstecken: Mehr als jeder vierte Bürger – zehn Prozent mehr als noch 1999 – setzt sich laut einer Studie der Sozialforschungsstelle Dortmund in seiner Freizeit für das Gemeinwohl ein: ob im Sportverein oder im Tierschutz, in der Kirche, bei der Feuerwehr oder eben im Seniorenheim. Und der Lohn ihrer Mühe: Zufriedenheit  und Anerkennung.

»Wenn ich in die Gesichter gucke und spüre, dass da was rüberkommt, ist es einfach schön«, findet Helmut Michalski.

Jeden Mittwochnachmittag gestalten er und seine Frau Angela in der AWO Feldkirchen-Westerham das musikalische Kaffeekränzchen – und zwar seit sieben Jahren mit dem gleichen Enthusiasmus. Damit nur ja keine Langeweile aufkommt, gleicht keine Liederfolge der anderen. Mal steht der Nachmittag unter italienischem Motto,  mal – wie in diesen Wochen – im Zeichen des Oktoberfestes. Da schunkeln und trällern alle nach Herzenslust mit. Gerade hat sich Helmut Michalski einen kleinen Traum erfüllt: Um wie die Volksmusikstars Marianne und Michael durch die Reihen zu laufen, baute der 66-Jährige eine Eigenkreation namens »swinging rollator«. Mit dem fahrbaren Keyboardständer ist er nun beweglicher und näher an seinen Zuhörern dran.

Auch ein anderer Ehrenamtler erfreut die Bewohner aus Feldkirchen-Westerham: Heinz Osbahr, Gärtner im Ruhestand, hält regelmäßig Lichtbildvorträge über Flora und Fauna. »Seit meiner Jugend fotografiere ich Pflanzen«, erzählt der 73-Jährige.

»Da dachte ich irgendwann: Warum zeige ich sie nicht mal anderen, statt sie in den Schränken zu stapeln.« Anfangs hatte er noch Hemmungen, vor vielen Menschen einen Vortrag zu halten, nun ist er längst Routinier und weiß, worauf er bei seinem älteren Publikum achten muss: keine Dunkelphasen, sanfte Übergänge zwischen den Dias und nicht mehr als 60, 70 Einstellungen. »Viele können ja nicht mehr raus in die Natur; aber wenn sie die Wildbeeren, Waldfrüchte oder auch Alpenblumen auf der Leinwand sehen, kommen sofort wieder die Erinnerungen.«
Früher hat Heinz Osbahr auch im Kurhaus Vorträge gehalten. Immer umsonst, das ist ihm wichtig, denn »es dreht sich schon oft genug alles nur noch ums Geld.« Das stört auch Renate Reimering, die bei der AWO Aying als eine Art Teamleiterin für die rund 20 Ehrenamtlichen tätig ist und zudem mehrmals in der Woche einzelne Bewohner betreut. »Es muss doch auch Dinge geben, für die man kein Geld bekommt«, findet die einstige Schuhfachverkäuferin. Sie habe schon viele aus ihrem Bekanntenkreis motiviert, sich ebenfalls zu engagieren. Obwohl sie dann weniger Freizeit haben, bleiben die meisten dabei. »Mir würde etwas fehlen«, sagt beispielsweise Herbert Aschauer, der schon lange bei der AWO Kirchseeon den Singkreis leitet, einen der beliebtesten Kurse im Haus.

»Mir gibt die Musik Kraft. und ich spüre, dass es den Bewohnern genauso geht – jeder ist danach ein bisschen glücklicher.«

Maximilian Schütz sagt, dass er nicht nur andere mit seinen Ausflügen bereichert, sondern den eigenen Horizont erweitert. »Ich komme mit ganz alten, aber auch ganz jungen Menschen ins Gespräch – wo hätte ich denn sonst diese Möglichkeit?« Sein Tipp: sich rechtzeitig auf den Ruhestand vorzubereiten. Denn: »Jedes Jahr das Haus neu anzustreichen, füllt einen bald nicht mehr aus.«

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