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Max & Moritz – Eine Bewohnerinnen-Geschichte in einem Streich

Waltraut Weiß, 90 Jahre und Helga Gruhnow, 90 Jahre

»Sie haben mir heute morgen eine Scheibe Brot geklaut«, sagt Frau Weiß, und man merkt nicht, ob ihre Empörung gespielt ist. »Ich dachte, Sie kommen nicht mehr zum Frühstück«, erwidert Frau Gruhnow. »Es war nach acht und ich hatte Hunger!«

Solche Kabbeleien gehören zum täglichen Schnack der beiden 90-jährigen Hamburgerinnen, die man im AWO Seniorenzentrum Hagenbekstraße auch als »Max und Moritz« kennt.

Wie die frechen Buben aus Wilhelm Buschs Geschichte, so haben auch Waltraut Weiß (= Max) und Helga Gruhnow (= Moritz) den Schalk im Nacken. Zum Beispiel, wenn Frau Weiß erzählt, wie sie im Alter von neun für ihren Onkel Hugo Zigaretten holen sollte, sich heimlich einen Glimmstengel aus der Packung stibitzte, daran zog – und sogleich auf der Wiese umkippte. Oder Frau Gruhnow, die sagt: »Ich habe in meinem Leben nichts ausgelassen, bin tanzen gegangen, viel gereist, habe gefeiert, geraucht, getrunken und bis ins hohe Alter Sport getrieben – jetzt will ich noch 99 werden.«

2013 beschloss die ledige Frau, ihre 2-Zimmer-Wohnung aufzugeben. »Ich hatte mich bei zwei Alten-Einrichtungen angemeldet, eine davon war Betreutes Wohnen«, erzählt sie. »Aber mein Arzt meinte damals, dann könne ich gleich zu Hause bleiben, denn die Arbeit mit Einkaufen, Kochen und Waschen hätte ich ja trotzdem.« So zog die rüstige Bewohnerin ins AWO Haus, wo sie sich wohl und versorgt fühlt. »Ich bin noch gut zu Fuß, sehe und höre gut. Aber wenn ich ehrlich bin, überspiele ich auch  ein wenig, lasse mir meine Wehwehchen nicht anmerken. Vielleicht sollte ich es mal, dann bekomme ich vielleicht eine höhere Pflegestufe.« Sie habe einen ganzen Stapel Informationsmaterial über die neue Umstellung erhalten, sich aber bisher nichts durchgelesen. Lieber verbringe sie die Zeit mit Kreuzworträtseln, Basteln oder Spaziergängen. Noch letztes Jahr sei sie alleine durch die Stadt mit der U-Bahn gefahren, aber das traue sie sich nicht mehr zu. »Als ob an meinem Kopf eine Sperre eingebaut wäre, die runtergeht, sobald ich mich etwas weiter vom Haus entferne.«

Ihr Wunsch für 2017: mit Max »up’n swutsch« auf die nahe Osterstraße gehen und vielleicht bei Karstadt vorbeischauen. So wie früher.

In der kalten Jahreszeit bleiben Max und Moritz lieber in der warmen Stube und genießen an den Wochenenden die Zeit in der hauseigenen Cafeteria. Dort schenkt samstags die Tochter von Frau Weiß Kaffee aus. »Als Gisela sieben Jahre alt war, sind mein Mann und ich mit ihr nach Australien gegangen«, erzählt die gelernte Laborhelferin und zeigt auf ein Schwarz-Weiß-Foto, das sie als junge Frau vor einem Kino in Down Under zeigt. »Es war eine wunderschöne Zeit, der ich manchmal hinterher trauere. Aber mein Schwiegersohn Uwe hat zu mir gesagt, im Alter sei man besser in Deutschland aufgehoben.«

Ob sie weiß, was sich für sie mit dem Pflegestärkungsgesetz ändert? »Nein, aber Uwe meinte: ,Mudder, das geht alles in Ordnung.’«

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