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»Gelassenheit bekommst du im Alter geschenkt.«

© www.lotta-fotografie.de

Es gibt kein Patentrezept für ein glückliches Alter, aber ein paar gute Zutaten. Die 69-jährige Greta Silver hat sie erprobt und teilt sie mit großem Erfolg auf ihrem Blog. Mit dem AWO Journal hat die Hamburgerin über Neuanfänge und alte Ängste, Verzeihen und Vergnügen gesprochen.

Wer Greta Silver persönlich begegnet, fühlt sich augenblicklich von ihr umarmt – auch wenn er mit Handschlag begrüßt wird. Sie strahlt bis zu den Haarspitzen und erzählt so mitreißend, klug und charmant, dass auch gestandene Reporter erst einmal innehalten und dieses Gesamtkunstwerk auf sich wirken lassen. Und so wie sie auf Menschen zugeht, begegnet sie allem im Leben: offen, neugierig und positiv.

Viel zu schade, dass Greta Silver ihre beeindruckende Ener-gie und Begeisterungsfähigkeit nur für sich und ihr näheres Umfeld behält, befand ihre Tochter unng an sie zu überreden: zuerst zum Modeln, dann zum Bloggen. Inzwischen gibt es einige Werbekampagnen mit der Seniorin in der Hauptrolle, vor allem aber hunderte Youtube-Videos mit ihren Lebensfreude-Tipps. »Zweckfrei genießen« heißt eins, »Stress ist sinnlos« ein anderes. Aber auch federleichte Gedichte und handfeste Ratschläge zu Alleinreisen oder Abnehmen haben ihren Platz und werden tausendfach geklickt.

»Mami, du musst der Welt da draußen zeigen, wie toll es ist, alt zu sein, das weiß da keiner«, zitiert Greta Silver ihre Tochter immer wieder. Denn sie selbst hatte keinen übermäßigen Hang zur Selbstdarstellung. Und erst recht keine Technikbegabung.

»Für den Anfang gibt es ja noch Hilfe-Videos, sogenannte Tutorials«, berichtet Greta Silver. »Aber irgendwann war ich dann so weit, dass ich gar nicht mehr formulieren konnte, was mir jetzt eigentlich fehlt. Ich habe in Communities deshalb schon extra mein Alter dazugeschrieben und darum gebeten: ‚Seid gnädig mit mir!‘.« Ein halbes Jahr habe sie gebraucht, um den Kanal einigermaßen zu durchschauen. »Zum Glück habe ich vorher nicht gewusst, wie lange es dauert! Es geht ja nicht nur darum, einen Film da reinzustellen – das ist gar nicht so schwer. Aber man will im Netz ja auch gefunden werden. Das war für mich als Nicht-Kenner schwierig, und ich würde das aus dem Stand auch nicht gleich ein zweites Mal schaffen. Eine Anleitung kann ich schon mal nicht schreiben, das ist klar«, sagt Silver und lacht.

Anfangen ist das einzig Wichtige. Wenn ich das geschafft habe, kann das jeder.

Dennoch kann sie so einen Neustart im In-ternet nur empfehlen: »Anfangen ist das einzig Wichtige. Wenn ich das geschafft habe, kann das jeder.« Längst prtieren bei-de Seiten von Greta Silvers Youtube-Kanal. »Ich biete ja gar kein großes Lernprogramm an, wie man sein Leben umstellen soll. Nein. Ich erzäh-le ein bisschen, so wie einer Freundin. Und dann ändern sich die Blickrichtungen von Gedanken.« Dafür wird die Bloggerin mit Kommentaren wie »Auf dich hat die Welt gewartet« belohnt. Ohne den Zuspruch ihrer Zuschauer wäre sie vermutlich auch nicht auf die Idee gekommen, Bücher zu schreiben. »Ich selbst hätte meinen Texten gar nicht so viel beigemessen. Das größte Geschenk ist es aber, zu wissen: ‚Das, was ich tue, ist sinnvoll.‘.«

Die meisten Nutzer ihres Blogs sind deutlich jünger als sie selbst: zwischen 35 und 54 Jahre alt. »Es entsteht eine erstaunliche Nähe, das hätte ich früher nicht für möglich gehalten. Teilweise haben sich ganze Gemeinschaften von zauberhaften Frauen gebildet«, erzählt die 69-Jährige. Weil das Internet nichtsdestotrotz »eine große Unbekannte« sei und sie sich und ihr Privatleben schützen wollte, habe sie sich einen Künstlernamen zugelegt.

Bei all der Wertschätzung und Bereicherung musste sich die Hamburgerin schon mehrfach rechtfertigen, dass sie es auch nicht immer leicht im Leben hatte.

Inzwischen geht Greta Silver ganz offen damit um, dass sie schon als 19-Jährige ihren geliebten und bewunderten Vater verloren hat. Sie schildert, dass es ein schwerer Schritt war, ihre langjährige Ehe aufzugeben. Und dass sie, die so selbstsicher und grundsympathisch wirkt, in ihrem Berufsleben gemobbt wurde.

»Am liebsten hätte ich alles hingeschmissen, aber ich wollte das Geld und hatte Spaß an der Arbeit. Also bin ich jeden Tag wieder mit einem Kloß im Bauch hingegangen. Bis ich schließlich begriffen habe, dass Verzeihen die einzige Lösung ist. So nehme ich dem anderen die Macht, mich weiter zu verletzen.« Sie habe täglich ihre fantasievollen Rachegedanken mit einem »Verzeih-Mantra« niedergerungen. »Es war harte Arbeit, aber ich merkte bald, dass es tatsächlich griff und ich immer freier wurde.«

Man darf sein Glück nicht zu sehr von anderen abhängig machen.

Freiheit ist ein zentraler Begriff in Greta Sil-vers Botschaften. Wie viel davon gerade im Alter erreichbar ist,ndet sie immer wieder faszinierend – und plaudert auch schon mal ganz konkret aus dem eigenen Nähkästchen: »Man darf sein Glück nicht zu sehr von anderen abhängig machen. Wenn ich eine Radtour machen wollte und mein Mann lieber Formel-1 gucken, dann habe ich mich früher dazugesetzt, schlechte Laune bekommen und es ihm madig gemacht. Aber warum? Stattdessen kann ich doch lieber allein losradeln!«

Ein anderes Beispiel hat sie dazu, wie sie heute frei von Ängsten lebt, obwohl sie sich früher so verrückt gemacht hat: »Als ich 27 war, wohnte ich in einem Reihenhaus in Pinneberg. Und ich war absolut sicher, es ist ein Einbrecher im Haus. In meinem Kopf ging ein Theater ab, ich war mir sicher, ich werde erstochen – nicht erschossen, das würden ja die Nachbarn hören. Am nächsten Morgen stellte ich fest, es war nur ein Brett auf dem Balkon heruntergefallen, und sonst war nichts passiert. Dng ich an zu grübeln und dachte: ‚Meine Güte, Greta, stell’ dir vor, du machst dich dein Leben lang verrückt und es kommt keiner. Dann bist du erst richtig angemeiert.’ So konnte ich den Schalter umlegen, von heute auf morgen.«

Ich gucke nicht mehr darauf, was mich runterzieht, sondern frage: ‚Was zieht mich hoch?‘.

Bisher ist – zum Glück – keiner gekommen. Und die Ängste bleiben verschwunden. Aus ihrem Leben verbannt hat Greta Silver auch das Jammern: »Ich gucke nicht mehr darauf, was mich runterzieht, sondern frage: ‚Was zieht mich hoch?‘.«

Dann hinterfragt sie zum Beispiel, was sie wirklich braucht: wie viele Dinge, wie viele Quadratmeter? »Das gibt so viel Freiheit, das gibt so viel Freude!«, schwärmt sie. Und dass Menschen, die anderen helfen, die glücklichsten sind, weiß nicht nur die Statistik. Ein großes Glück sei es auch, wie entspannt sie heute mit allem umgehen könne, vor allem auch mit ihrem Alter. »Im Alter bekommst du Gelassenheit geschenkt«, jubelt Greta Silver. »Ich bin mal gefragt worden, wie alt ich mich fühle, da habe ich gesagt: ‚Ich hoffe, mein inneres Alter ist 80. Denn so wie ich mich mit 40 oder 20 oder 50 gefühlt habe, möchte ich mich nicht mehr fühlen. Jetzt wird es immer freier. Aber ich denke, ich bin innerlich wie 69 und Punkt und Komma, aus.«

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