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Im Einsatz für Jung & Alt

FOTO: TRAUDL BAUMEISTER

Nachkriegskind die eine, Millennial-Girl die andere. Doch trotz ihres großen Altersunterschieds ziehen Helena Preisendörfer, Deutschlands jüngste AWO-Kreisvorsitzende, und ihre Vorgängerin Rosalinde Heider in Unterfranken an einem Strang.

Wie Helena in die Kamera lächelt, mit ebenmäßigem Gesicht, langem Haar und geraden Zähnen – sie könnte auch Teilnehmerin von »Germany’s Next Topmodel« sein. Doch die 19-Jährige posiert hier nicht für die Casting-Show, bei der es nur um Aussehen, Kleider und Kosmetik geht, sondern als Kreisvorsitzende der AWO in Bad Kissingen. In dieses Amt wurde sie einstimmig im Februar 2018 – damals gerade volljährig – gewählt.

Rosalinde Heider wollte nach zwölf Jahren aufhören; nicht zuletzt, weil der tödliche Herzinfarkt ihres ältesten Sohnes sie viel Kraft gekostet hat. Auf der Suche nach einer Nachfolge wurde zunächst Helenas Mutter gefragt. Sabine Preisendörfer, Leiterin einer AWO Senioreneinrichtung, erzählte ihrer Tochter davon, worauf diese spontan sagte: »Das könnte ich doch machen.« Schließlich kennt Helena die AWO von Kindesbeinen an und fühlt sich mit den Strukturen des Wohlfahrtsverbands vertraut.

»Ich bin nach der Schule immer zu meiner Mutter ins ›Willy-Brandt-Haus‹ gegangen, habe an den Freizeiten teilgenommen, und an Weihnachten war es Tradition, von Zimmer zu Zimmer zu gehen und allen ein schönes Fest zu wünschen – das tun wir noch heute«, erzählt Helena, die als Einzelkind aufwuchs und deren Vater ebenfalls bei der AWO, im ambulanten Pflegedienst, arbeitet. »Stallgeruch« hat sie also, aber was ist ihre Motivation?

»Ich möchte neuen Schwung reinbringen und die AWO mit ihren Werten wie Solidarität den jungen Leuten vermitteln«, sagt Frau Preisendörfer junior. »Das geht am besten über die sozialen Medien, denn meine Generation braucht Bilder, um sich angesprochen zu fühlen.« Sie stört sich am zunehmenden Egoismus der Gesellschaft und daran, dass alle immer nur ihre eigenen Probleme sehen, statt den Blickwinkel zu öffnen.

Dem kann Rosalinde Heider nur zustimmen. Etwas überrascht war die 76-Jährige allerdings schon, als sie das Alter der Kandidatin, die ihre Nachfolgerin werden sollte, erfuhr. »Da gab’s Bedenken, aber ich habe mir vorgenommen, nicht das zu sagen, was ich mir früher selbst anhören musste«, so die gelernte Köchin.

»Ich war 18, als ich selbstständig die Speisewagenküche der Bahn organisierte und 23, als ich in einem Erholungsheim für Kriegswitwen die Hauswirtschaft verantwortete. Und immer hieß es: ›So jung, ob die das wohl schafft?!‹«
Dabei wachse man doch mit seinen Aufgaben. Außerdem sei sie ja als Beisitzerin weiterhin im Team und unterstütze Helena, wann immer ihr Rat erwünscht sei.

Für andere da sein, ihnen helfen und anpacken – das ist für Rosalinde Heider, die seit Jahrzehnten bei der AWO sowie in der SPD aktiv ist und letztes Jahr mit der Willy-Brandt-Medaille, der höchsten Auszeichnung der SPD, ausgezeichnet wurde, selbstverständlich. Genauso wie Gleichberechtigung.

»Die Familie stand zwar im Mittelpunkt, aber ein Leben als Hausfrau kam für mich nie infrage«, sagt die Unterfränkin, die nicht wie ihr Bruder auf die weiterführende Schule gehen durfte. Damals hieß es noch, dass die Mädchen ja eh bald heiraten würden. Das tat sie tatsächlich früh, aber anders als in ihrer Generation üblich, fing sie nach der Geburt der beiden Kinder schnell wieder an zu arbeiten. Möglich war das durch den starken Zusammenhalt der Eheleute, die 2012 ihre Goldene Hochzeit feierten.

Gemeinsam mit ihrem Mann leitete sie erst das Erholungsheim der Arbeiterwohlfahrt, später den »Rosenhof« in Bad Kissingen. »Er hielt mir auch den Rücken frei, als ich 1988 berufsbegleitend zwei Jahre lang meinen Küchenmeister machte« , erzählt Frau Heider. »Und als Dieter in Rente ging, übernahm ich zusätzlich die Verwaltung des Seniorenheims.«

Nicht nur das: In dieser Zeit baute sie die Ferienbetreuung der AWO in Bad Kissingen auf und organisierte Familienausflüge. Auch Helena Preisendörfer nahm in ihrer Kindheit an vielen Freizeitaktivitäten der AWO teil. »Sie sind ein Grund, warum ich das Ehrenamt gerne angenommen habe.« Als Kreisvorsitzende will sie dafür sorgen, dass in der Region unter anderem Selbstverteidigungskurse für Kinder und Jugendliche angeboten werden, besonders auch für junge Flüchtlinge.

Ihre größte Herausforderung ist die Zeit, denn die Bankangestellte hat nicht nur eine 40-Stunden-Woche, sondern fängt ab Herbst eine berufsbegleitende Ausbildung zur Fachwirtin an. Wer, wenn nicht Rosalinde Heider, hätte für diesen Karriereschritt Verständnis?! Sie wird ihrer jungen Kollegin unter die Arme greifen, denn so gerne sie sich auch um ihre Enkel und den Garten kümmert – soziales Engagement gehört für die Seniorin zu einem erfüllenden Alltag.

Aufgrund ihres großen ehrenamtlichen Einsatzes gehörte Frau Heider 2016 zu den Auserwählten, die vom Bundespräsidenten ins Schloss Bellevue geladen wurden. Ein unvergessliches Erlebnis. Das hatte auch Helena Preisendörfer:

Im vergangenen Sommer durfte sie zur AWO-Zentrale nach Berlin reisen – und als Deutschlands jüngste Vorsitzende in der »obersten Liga« mitmischen.

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